Wasserbilanzmodelle

Was sind Wasserbilanzmodelle?

Die heutige Wasserwirtschaft legt hohen Wert auf die Betrachtung von Gesamtzusammenhängen. Einen Beitrag hierzu leisten Wasserbilanzmodelle. Sie bilden den Abfluss von Niederschlag in Flusseinzugsgebieten, z. B. der Wupper oder ihrer Nebengewässer unter Berücksichtigung lokaler Verhältnisse ab und simulieren mögliche Szenarien.

Dabei bildet man im ersten Schritt den aktuellen Ist-Zustand ab, um diesen mit aktuellen Pegelmessungen zu vergleichen. Auf Basis dieser an die Realität angepassten Modelle können zukünftige Szenarien in ihrer Wirkung verglichen werden. Hierdurch ist die Beurteilung räumlicher, in den Wasserhaushalt eingreifender Planung möglich. So können z. B. optimierte Becken geplant werden, Kenntnisse über Grundwasserzuflüsse gewonnen werden oder Aussagen zum Hochwasserschutzniveau getroffen werden.

Die Modelle berücksichtigen einerseits Wasserströme, z. B. Niederschlag, Verdunstung, Oberflächenabfluss, Grundwasserabfluss und andererseits die Räume, in denen diese Wasserströme wirken, wie Atmosphäre, Bodenoberfläche, Bodenzonen.

Wasserbilanzmodelle versuchen die Realität digital abzubilden. Sie sind ein wichtiger Baustein der Digitalisierungsstrategie des Wupperverbandes und des digitalen Zwillings.

Wasserströme
Wasserströme

Wissensbasis der Vergangenheit, Simulationen für die Zukunft

Damit die Modelle mögliche zukünftige Situationen simulieren können, muss das Modell mit Daten aus der Vergangenheit - mit Informationen über Niederschläge - "gefüttert" werden. Danach wird es wie oben beschrieben mit tatsächlichen Pegeldaten verglichen. In Mitteleuropa, also auch in Deutschland, liegen umfangreiche Informationen über vergangene Niederschläge vor, da diese bereits seit langer Zeit gemessen werden und Messstationen flächendeckend verteilt aufgestellt waren und sind. Der Wupperverband betreibt mehrere Stationen mit über 100 -jähriger Geschichte. Bei den Pegeln (Wasserstände und Abflüsse) hingegen kann man zumeist nur auf jüngere und weniger dichte Beobachtungen zurückgreifen.

Wasserbilanzmodelle ermöglichen es, sicherere Aussagen in höheren Jährlichkeiten zu treffen als Prognosen, die ausschließlich auf Basis von Messungen erstellt wurden. Angenommen, von einem Pegel liegen seit 10 Jahren Messdaten vor ist es nach Grundsätzen der statistischen Hochrechnung möglich Aussagen über einen Zeitraum von 30 Jahren zu treffen. Es wäre also schwierig zu sagen, wie ein Hochwasser mit 100-jähriger Eintretenswahrscheinlichkeit aussieht. Durch die Modellsimulation mit den längeren Niederschlagsreihen und die Auswertung dieser Ergebnisse sind Aussagen auch in diesem Bereich möglich.

Schlussfolgerungen aus Modellen sind: Wie verändert sich der Abfluss in einem Gebiet, wenn größere Flächen bebaut bzw. versiegelt werden? Erhöht sich dadurch die Gefahr von Überschwemmungen? Was passiert, wenn in einem Gebiet ein Regenbecken gebaut wird? Kann dadurch die Abflusssituation im Gewässer verbessert werden?

Komplexität der Einflussfaktoren

Nicht jeder Tropfen Regen, der fällt, landet im Gewässer. Das Wasser verdunstet, läuft über die obere Bodenzone ab oder versickert in das Grundwasser. Manche Tropfen berühren nicht einmal den Boden, sondern bleiben z. B. auf den Blättern der Bäume liegen. Diese natürlichen Prozesse werden bei Wasserbilanzmodellen berücksichtigt.

Einflussfaktoren Wasserströme
Einflussfaktoren Wasserströme

Ähnlich komplexe Vorgänge wie in der Natur gibt es auch in der Stadtentwässerung. Hier werden Wassermengen aufgeteilt: An Kanalbauwerken (z. B. Regenüberlaufbecken) werden die anfallenden Wassermengen aufgesplittet; nur bestimmte Mengen können zur Kläranlage geleitet werden, die übrigen Wassermengen müssen entsprechend in das Gewässer geleitet werden. Auch die Kapazität und die Verzweigung der Kanalnetze bestimmt, wie das Wasser abtransportiert wird (Geschwindigkeit, Menge).

Bisherige und aktuelle Einsatzgebiete: Hochwasserschutz und Ökologie

(Früher Niederschlagsabflussmodelle, heute Wasserbilanzmodelle)
Traditionelle Niederschlagsabflussmodelle (NA-Modelle) konzentrierten sich auf die Berechnung von Hochwasserereignissen und wurden z. B. zur Einschätzung von Überschwemmungsgefahren eingesetzt.

In der modernen Wasserwirtschaft spielt das Thema Ökologie eine wichtige Rolle. Welchen Einfluss hat der Mensch auf den Wasserhaushalt? Wie wirkt sich z. B. die zunehmende Versiegelung auf Hochwasserabflüsse (Stichwort: beschleunigte Abflüsse) und Niedrigwasserabflüsse (Stichwort: geringere Grundwasserbildung) aus?

Daher ist es wichtig, die Dynamik von Abflüssen in ihrer ganzen Bandbreite abzubilden. Um dies zu ermöglichen, wurden die Niederschlagsabflussmodelle in den 80er Jahren zu Wasserbilanzmodellen weiterentwickelt.

Die Europäische Wasserrahmenrichtlinie fordert den guten Zustand der Gewässer. Wasserbilanzmodelle helfen, einen angenommen natürlichen Zustand (potenziell natürlichen Gewässerzustand) zu beschreiben. Es kann z. B. simuliert werden, wie sich die Abflussverhältnisse in einem Gebiet darstellen würden, wenn Versiegelungen zurückgenommen oder ausgebaute Gewässer zurückgebaut würden.

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